Der Deutschaufsatz

In der Obertertia stand im Fach Deutsch bei Herrn Einert der Besinnungsaufsatz auf dem Lehrplan und es stand eine Klassenarbeit an. Das Thema - nicht gerade einfach für 15-jährige - war: Argumente für und wider die Todesstrafe. Wir durften uns sogar vorher Argumente überlegen, die wir dann am in der Klassenarbeit verwenden sollten.
Mit allem hatte Herr Einert wohl gerechnet, bloß nicht mit einer Welle von gesteigerten Studien-Aktivitäten von allen Seiten. Da wurde stundenlang diskutiert und P. Haag hatte sogar eine extra Sitzung anberaumt, in der Kirchenführer und Philosophen zu diesem Thema bemüht wurden. Kurzum, die Klasse war bestens vorbereitet. So glaubten wir wenigstens, bis wir die Arbeit zurückbekamen. Die Enttäuschung war groß, als die meisten von uns nichts besseres als eine 4 oder 5 vorzuweisen hatten. Nur einer, den wir bis dahin - bis dahin - nicht zu den Deutsch-Wunderkindern gerechnet hatten, hatte eine 2: Otto Mayer, den unsere intensive Vorbereitung wohl wenig gekümmert hatte, und der einfach das hinschrieb, was er selber von der Todesstrafe hielt, nämlich nichts.
Warum mir diese Episode so nachhaltig in Erinnerung bleibt, vermag ich nicht zu sagen. Aber immer wenn es darum ging, dass man sich nicht verbiegt, um z.B. dem Zeitgeist zu frönen, ist mir unter anderem dieses Beispiel eingefallen. Danke Otto und danke, Herr Einert!
Der Verfasser des Aufsatzes, P. Otto Mayer erinnert sich ebenfalls:

An diesen Aufsatz über die Todestrafe denke ich noch oft. Als ich ich Kigali nach öffentlichen Hinrichtungen am folgenden Tag gegen die Todesstrafe predigte, begann ich mit diesem Aufsatz, um zu zeigen, dass ich seit langem dagegen bin. Nun, die Leute waren anderer Meinung und sagten dies auch laut. Die mit mir einverstanden waren, sagten nichts. Man hat mir vorgeworfen, ich hätte die Leute gespalten; nun dies waren sie schon zuvor.Bumiller hatte mich damals nicht überzeugt mit seiner harten Linie. Du hast richtig berichtet, dass ich kein Deutschass war.

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