Schlagseite - mal ganz anders

Pater Zender hatte einen guten Gedanken; aber gut gedacht ist noch nicht gut gemacht.
Den Jungs mal ganz was anderes bieten, was sie noch nicht kennen, was sie fit macht und stärkt für das harte Leben in Afrika: BOXEN!

Ich weiß nicht woher er diese zwei Paar professioneller Boxhandschuhe hatte, schweres hartes Leder, fast zu groß für unsere Fäuste, aber fest gebunden hielten sie. Und einen Boxring hatte er auch entdeckt. Eigentlich war der Platz Tabu: in angenehmer Halbhöhenlage gab es einen kleinen Pavillon, schön mit Büschen zugewachsen, uneinsehbar und nur zum heimlichen Rauchen öfters aufgesucht. Ein offenes überdachtes Rund, etwa vier Meter im Durchmesser – ein idealer Boxring? Training brauchten wir cleveren Klepfer ja nicht; einige klare Weisungen und los konnte es gehen: Eine rechte Gerade biegt man mit der Linken ab, die linke Gerade mit der Rechten, Fäuste hoch, ein STOP des Ringrichters Zender ist sofort und unbedingt von beiden Kämpfern zu beachten, zum Start steht man sich gegenüber, klarer Blick in klare Augen, Boxhandschuhe zum Zeichen der Fairness kurz punchen, zurücktreten „an die Seile“ und auf Kommando „Box“ loslegen.

Mein Partner war der anerkannt Stärkste unserer Klasse: Rolf Wissmann. Gut trainiert, mit eifrigem Training an den Eisenhanteln, schaffte die meisten Klimmzüge und erklomm die eisernen Kletterstangen am Ende der Wandelhalle in jeder beliebigen Technik.

Ich glaube wir waren die erste Paarung, wir standen uns mit den Handschuhen gut geschnürt gegenüber, klarer Blick in klare Augen, kurzer Fairness-Punch ……. ja und da endet eigentlich mein Bericht, denn ich weiß absolut nichts mehr!! Zurücktreten und das Kommando „Box“ gab es nicht – Rolf hatte im Kampfeifer sofort hart und trocken zugeschlagen, den Punkt getroffen und das war sein und mein erster KO. Ich kam wieder zu mir, gestützt vom Ringrichter Zender, der bereits etwas nervös an meinen Boxhandschuhen nestelte und meinte „jetzt geht’s dann aber los“. Nein sagte dann wieder Pater Zender, es ist vorbei. Ich sah ansonsten in die gleichfalls ratlosen Gesichter meiner Kameraden und wir verließen die Kampfstätte.

Vermutlich hat Pater Zender Pater Superior Haag Bericht erstattet: das Thema war so schnell wie gekommen auch erledigt. Diesen Boxhandschuhen ging es wie allen Boxhandschuhen auf der Welt: sie wurden an den Nagel gehängt – an welchen weiß ich nicht. Und der schöne Pavillon wurde wieder Tabuzone – ich allerdings ging nicht mal mehr gerne zum Rauchen dort hin. Das war bis zum heutigen Tag die letzte aktive wie passive Körperattacke meines Lebens.

Meinolf Pousset, 23.5.2014

Zurück zu Erinnerungen