Einkehrtag 2

Wenn Stefan Lutz-Bachmann schon die doppelte Bedeutung der Einkehrtage kurz anklingen lässt, will ich sie im weiteren Sinne doch noch etwas vertiefen. Während meiner Zeit, als ich in Haigerloch war, waren die „Exerzitien“ immer am „Buß- und Bettag“, der ja als evangelischer Feiertag schulfrei war. Vorrangig geistigen Vorträgen, der Besinnung und inneren Einkehr dienend, sollten schweigend alle unwichtigen Betätigungen und Ablenkungen in dieser Zeit vermieden werden. Selbstverständlich durfte während der Exerzitien - die schon am Vorabend begannen - auch keine triviale Literatur, sondern nur geistig Erbauliches gelesen werden. Dazu gab es In der Bibliothek eine Abteilung mit dem Kennbuchstaben „H“ wie „Heiligenbücher“.

Kurios war dann, dass sich manche die Bücher nach der Größe und nicht nach dem Inhalt aus der Bibliothek ausgeliehen haben. Des Rätsels Lösung war, dass die „H-Bücher“, in deren Umschläge genau die gängigen Exemplare von „Karl May“ oder der damals beliebten Abenteuerreihe „Ubique Terrarum“ gepasst haben, in diesen Tagen immer besondere Renner waren.

An anderer Stelle sind schon die Spaziergänge in die nähere Umgebung Haigerlochs angesprochen worden. Zu wissen ist auch, dass diese Spaziergänge gewissen Regeln unterworfen waren. Sonntagnachmittag, nach dem Mittagessen bis 16:00 Uhr (im Sommer gelegentlich bis 18:00) war für alle Missionsschüler der „Ausgang“ Pflicht. Anfänglich wurde unsere Sexta geschlossen vom „Organisten“ Uli Birringer ausgeführt. Dadurch durften wir viele Kirchenorgeln in der Umgebung von Haigerloch kennen lernen, da Uli zu fast allen Zugang hatte und uns immer zum Genuss eines kleinen Privatkonzertes verhalf.

Nach ein paar Monaten wurde dann aber generell die Regel eingeführt, dass sich beliebige Ausgangsgruppen bilden durften, wobei sich immer mindestens drei Missionsschüler zusammen tun mussten. Andererseits sollte aber auch verhindert werden, dass sich „zu verschworene Cliquen“ bildeten. Pater Superior beobachtet deshalb unseren Abmarsch, fragte gelegentlich nach dem Ziel und mischte dort, wo er eine zu starke Vertrautheit oder Kumpanei vermutete, die Gruppen durcheinander. So passierte es unverhofft auch mir, dass ich eines Sonntags einer Gruppe zugeteilt wurde, die mich offensichtlich überhaupt nicht dabei haben wollte. Meine beiden Wegefährten tuschelten anfangs miteinander und checkten ab, inwieweit sie mich in Ihre Pläne einweihen konnten. Schließlich wurde mir erklärt, dass der Älteste (damals schon Untersekundaner) einen wichtigen, sehr geheimen Termin habe, und er mich und den zweiten Mitschüler einige Zeit allein lassen müsse. Und damit wir dies auch geheim hielten, würde er uns beiden zur Belohnung im „Karlstal“ je eine Flasche Bier spendieren.

Und so warteten wir zwei Jüngeren in der Gaststätte, an der Straße nach Bad Imnau, neben ein paar älteren Kartenspielern und einem „Haigerlocher Schloßbräu“ auf die Rückkehr des Älteren. Dessen Schäferstündchen verhalf mir – mangels Gewöhnung - zu meinem ersten Schwips und somit zu einem Einkehrtag der besonderen Art

Fidel Fischer

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