Anmerkungen zur Internatserziehung und Hermann Hesse

Wenn man Kommentare und Stellungnahmen auf diesen Seiten liest, da würde man sich etwas mehr Nachdenklichkeit anstelle von oberflächlichem Gerede wünschen. Es gab sicher häufig fragwürdiges Verhalten und viel Menschliches bei unserer Erziehung und bei unserem Zusammenleben in Haigerloch. Da wünsche ich mir eine fundiertere Diskussion.

Mit Sicherheit war die Erziehung geprägt von situativen Reaktionen der Erzieher. Fundierte Erziehung war das sicher nicht. Seit wann und wo gibt es diese überhaupt?

Zum Umgang mit 'schwierigen' Erfahrungen im Internat empfehle ich wieder mal eine Lektüre zu Hand zu nehmen und zu bedenken, was Herman Hesse mit dieser Situation gemacht hat. Lest die Erzählung "Unterm Rad" . Dort schreibt er : "Wer aber mehr von anderen leidet, der Lehrer von Knaben oder umgekehrt, wer von beiden mehr Tyrann, mehr Quälgeist ist und wer von beiden es ist, der dem anderen Teil seine Seele und seines Lebens verdirbt und schändet, das kann man nicht untersuchen, ohne mit Zorn und Scham an die eigene Jugend zu denken. Doch das ist nicht unsere Sache, wir haben den Trost, dass bei den wirklich Genialen fast immer die Wunden vernarben und dass aus ihnen Leute werden, die der Schule (ich sage auch dem katholischen Internat ,Anmerk. Win)zum Trotz ihre guten Werke schaffen und welche später, wenn sie tot und vom angenehmen Nimbus der Ferne um flossen sind, andern Generationen von Schulmeistern als Prachtstücke und edle Beispiele vorgeführt werden. (....) und immer wieder sind es die von den Schulmeisten Gehaßten, die oft bestraften, Entlaufenen, Davongejagten, die nachher den Schatz unsere Volkes bereichern -Manche aber - und wer weiß wie viele? - verzehren sich in stillem Trotz und gehen unter". (Hesse, Unterm Rad ST BD. 52, S.90/91)

Vor etwa 5 Jahren bin ich nachts aufgewacht nach einemTraum:
Wir sind von der Kapelle zum Schlafsaal gegangen. Es war ruhig und Treppenhaus und Flur waren nur spärlich beleuchtet, so schlurften die Schüler Richtung Schlafsaal. Da kam ein lauter Brüller von hinten "Silentium, Ruhe" Er hallte über den Flur und durch das Treppenhaus. Die hohen Räume gaben eine schrecklichen Nachhall. An diesen hatte ich mich nie gewöhnen können. 30 Jahre nach Abitur und Studium saß ich aufrecht im Bett. Es war schrecklich.

Hesse ist aus dem evangelischen Seminar in Maulbronn bei Nacht und Nebel weggelaufen, hat auf dem Feld übernachtet und wurde dann aufgegriffen, hat zeitlebens unter der Erziehung gelitten, auch der des Vaters. Das evangelische Seminar existiert heute noch, (eine Einrichtung in einer wunderschönen Anlage, die im ehemaligen Zisterzienserkloster und heutigen Weltkulturerbe untergebracht ist) und wurde dann seinem Vater nach Calw zurückgebracht.


Konrad Winterhalder

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