P. Hirt

Pörs Waigand erinnert sich an P. Hirt

P. Hirt Mit Interesse habe ich das Portrait von Hajo Stenger zur Person Pater Hirts gelesen. Auch mir ist Pater Hirt in bester Erinnerung. Er war für unsere Schülergeneration eine sehr souveräne Vaterfigur, die den Schülern stets positiv zugewandt war, was man nicht von allen Patres behaupten kann. Zweifelsohne verfügte er über eine über alle Zweifel erhabenen Ausstrahlungskraft, ohne je autoritär zu wirken. Er hatte es nie nötig, auf seine Autorität zu pochen, er verfügte ganz einfach über ein natürliche Autorität. Ich persönlich habe Pater Hirt in Rietberg kennen und schätzen gelernt. Soweit ich mich erinnere, war er vor seinem Einsatz in Rietberg Superior und Schulleiter in Großkrotzenburg bis zum Jahre 1960. Obwohl wir damals noch sehr jung waren, begriffen wir dennoch, dass der Einsatzort Rietberg kein Traumlos für Pater Hirt war. "Er wurde ernannt nach Rietberg", so die damalige offizielle Diktion, welche meines Wissens noch heute in Gebrauch ist – man hat ja Gehorsam gelobt.

Wenn der Ernennung eines Schulleiters ein aufwendiges Bewerbungsverfahren vorausgeht, dann halte ich das für mehr als berechtigt. Autoritäre Entschlüsse eines Ordensoberen erscheinen mir hingegen eher fragwürdig im Hinblick auf eine derartige Ernennung.

In Rietberg unterrichtete der auch liebevoll „Hirtenvater“ genannte Pater Hirt Biologie, wobei er als anerkannter Ornithologe unserer Aufmerksamkeit mit großem Erfolg auf die Vogelwelt richtete. Wenn es die Witterungsverhältnisse erlaubten, bestand der Unterricht im Wesentlichen aus ornithologischen Exkursionen. Diesen zwei Stunden Biologie pro Woche fieberten alle entgegen. Noch heute sind uns die damals beobachteten Vögel bestens bekannt durch ihren Gesang und ihr Federkleid. Wer erkennt schon den Zilpzalp an seinem Gesang oder Gefieder? Bei aller Begeisterung für die Beobachtung unserer gefiederten Freunde musste natürlich eine Zensur erteilt werden. Diese Frage löste Pater Hirt auf höchst souveräne Art und Weise. Es genügte eine möglichst vollständige Aufzählung aller beobachteter Piepmätze, wobei man während des Tests sich durch Rückfragen der Richtigkeit der Aufzählung versichern konnte. So wurde munter drauflos gefragt, ob denn Spatz, Rabe usw. auch zur Liste gehörten, was Pater Hirt mit väterlichem Lächeln bereitwilligst bejahte. Auf diese Weise konnte jeder Schüler eine qualifizierte Liste als Leistungsnachweis abliefern. Ungeachtet dieser typischen Schülertaktik hatten wir uns dennoch ein beträchtliches ornithologisches Wissen angeeignet, welches sein Fundament allein im emotional positiven Verhältnis zum Lehrer findet. Er mochte uns, wir mochten ihn; so einfach war das.

Angekommen in Großkrotzenburg stellte sich bei uns jedoch sehr bald eine große Ernüchterung ein. Fortan wurde Biologie von Studienrat Wolf erteilt, der es eher mit der Photosynthese und dem sekundären Dickenwachstum hielt, was uns höchst spanisch vorkam. Damit konnten wir schlicht und ergreifend nichts anfangen. Statt Exkursionen in die freie Natur standen nun abstrakte chemischen Formeln und dergleichen auf dem Lehrplan. Zu allem Überfluss wurde diese trockene Materie regelmäßig an der Tafel vor versammelter Mannschaft abgeprüft. Schüler wären keine guten Schüler, fänden sie für diese nicht gerade schülerfreundliche Art des Unterrichts keine geeignete Lösung. Wer an die Tafel zitiert wurde, um die chemische Formel für die Photosynthese (6 H2O + 6 CO2 + Licht = 6 O2 + C6H12O6) niederzuschreiben und zu erörtern, hatte sie vorher auf die Innenseite der Hand geschrieben. Da Wolf in alphabetischer Reihenfolge abfragte, konnte man sich leicht ausrechnen, wann man an der Reihe war. Da ich nicht nur im Alphabet auf den hintersten Rängen rangierte, kam ich niemals in den Genuss einer derartigen Tafelübung. Aber selbst dieser eher trockene Unterricht hat positive Spuren hinterlassen, da viele Mitschüler unserer Klasse sich noch heute an Inhalte erinnern. Lernen erfolgt halt über sehr viele Kanäle, die alle ihre Berechtigung haben.

Pörs Waigand (14.10.2015)

Auch Markus Strobel hat sehr angenehme Erinnerungen an P. Hirt:

P. Hirt ist mir noch in guter Erinnerung. Aus diesem Schatz will ich etwas bringen. P. Hirt konnte sehr spannend unterrichten. Auch komplizierte Sachverhalte in Biologie oder in Chemie konnte er lebhaft, fast erzählerisch darstellen. Im Religionsunterricht war es sein Steckenpferd Kleinigkeiten wie Kleiderordnung vom Vatikan zu erzählen. Wir nutzten diese Schwäche aus, indem wir durch entsprechende Fragen ihn auf dieses Gleis brachten.

In Chemie ereignete sich einmal ein kleines Unglück. Aus Kalkstein sollte mit Zugabe von Salzsäure Chlorgas erzeugt werden. Bei der Feuerprobe muss wohl die Entzündung in den Kolben zurückgeschlagen sein. Dieser explodierte. Geistesgegenwärtig gingen alle hinter den Pultdeckeln in Deckung. So kam keiner zu Schaden. Nur in der vorderen Reihe stellte man Löcher in den Kniestrümpfen fest.

Im Sommer wurde der Biologieunterricht im Wald abgehalten. Im einen Jahr lernten wir die Flora kennen, nicht nur die deutschen sondern auch die botanischen Namen(z.B. ranunculus acer). Im nächsten Jahr waren die Vögel. Durch diese Exkursionen blieb mir dieses Wissen, das Interesse an den Pflanzen.

P. Hirt hatte ein Herz für uns Schüler. Gelegentlich ordnete er einen kleinen Ausflug in eine nahliegende Waldwirtschaft an. Beim Abitur half er psychologisch durch die Prüfung.

Einmal hat er sich einen Spaß geleistet. Verkleidet als Ordensschwester erschien er an der Pforte, bat darum ihm das Haus zu zeigen, was ihm auch gewährt wurde. P. Superior führte ihn. Keiner merkte den Schwindel. Erst danach gab er sich zu erkennen.

Markus Strobel (15.10.2015)

Auch Edmund Seemann fühlt sich angeregt, einen Beitrag zu schreiben:

Als wir uns 1958 in der Kreuzburg auf das Abitur vorbereiteten, gab es für uns eine kleine Sensation: Nicht die als sehr streng geltende Dame vom hessischen Kultusministerium sollte uns das Abitur abnehmen, sondern erstmals unser Schuldirektor P. Hirt.
Die Exkursionen waren - wie schon berichtet - sehr beliebt. Er konnte z.B. den Kuckucksruf so echt nachmachen, dass sich auf einmal ein Kuckuck in den Bäumen näherte. Bei unseren Spaziergängen in der näheren Umgebung sahen wir öfters "zufällig" eine junge Dame, für die unser Mitschüler Kurt wohl etwas schwärmte. Als wir mit P. Hirt unterwegs waren, war auch diese junge Dame mal in Sichtweite unterwegs. Plötzlich ein Vogel in den Baumwipfeln, P. Hirt: Das ist eine Goldammer! Und unser Klassenkamerad Kurt musste es sich gefallen lassen, dass wir ihn jetzt mit seiner Goldammer aufzogen.

Edmund Seemann (16.10.2015)


Abschließende Bemerkung von A. Epple

P. Hirt war in Stetten bei Haigerloch lange Seelsorger und, wie man mir sagt, enorm beliebt. Anlässlich des Dorfjubiläums (750 Jahre) gab es einen großen Umzug, bei dem er selbstverständlich auch dabei war. Wie man sieht, machte er sich ausgezeichnet als mittelalterlicher Scholar. Der junge "Scholar" vorne rechts ist übrigens mein Bruder, der damals Ministrant war. (A. Epple, 10.12.2015)

P. Hirt

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