Pilo (Paul Strudjens)

Pilo war bei den meisten wohl herzlich unbeliebt. Nicht weil Paul Strudjens Holländer war, sondern weil er Ohrfeigen verteilte und sogar noch prügelte. Und sonst wohl auch sehr rigide war. Ich selbst habe zwar nichts abbekommen, aber andere schon ... Also beschloss sich der Tross zu rächen. Und kindlich präzise an dem Ort, an dem er seine libidinös verschrobenen Obsessionen teils auf nacktem Po zelebrierte - in seinem Schlafzimmer im Dachgeschoss ganz hinten.

Wir verkleideten uns eines Nachts recht passend als Gespenster. Ulrich Birringer, der mutigste (oder frechste?) voran, Stefan Lutz-Bachmann, ich und noch 2 oder drei, die ich nicht mehr erinnere, hinterher. Pilo schoss aufgeschreckt in seinem Bett hoch, als ihn der Strahl der Taschenlampe aus Ulis Hand traf. Wir schossen auch, und zwar als Gespenster zurück in den Schlafsaal im ersten Stock. Die Bettlaken flogen in die Spinde und wir ins Bett, versuchten uns schlafend zu stellen. Denn Pilo würde kommen und sich rächen (ein zweifelhaftes Prinzip, dass heute wieder politisch aktuell ist). Und er kam. Leise schlich er sich durch die Reihen, lauschte an jedem Kopf auf gleichmäßige Atemzüge. Dazu fragte er jedes Mal und mit seinem hübschen Holland-Dialekt: "Släfst du son?" Das hielten die meisten aus, aber nicht alle. Irgendeiner (wer war das?) platze bei der Frage an seinem Ohr vor Lachen und "klatsch" hatte er sich eine Ohrfeige eingefangen. Dann entschwand der Gute nach oben, mehr ist meiner Erinnerung nach auch nicht passiert. Und Pilo entschwand alsbald auch ganz. Ob ihn unser guter jugendbewegter Pater Haag, Superior des Hauses, wohl zur Brust genommen hat und an "wirksamere" Stelle stellte?

Der Name "Pilo" stammte von der Schuhcreme, die wir alle im Lädchen im Missionshaus kaufen konnten. Warum Paul gerade diesen Spitznamen bekommen hat, weiß ich nicht mehr. Er hatte ihn sofort und irgendwie war der Name höchst passend. Vielleicht, weil er schmierig und die Seele rabenschwarz war? Man spricht in diesem Zusammenhang ja von der "Wahrheitswitterung" der Kinder. Ein paar Jahren wohnte ich in einem Haus in Heidel-berg, dessen Besitzerin, Frau Konsulin Krebs, die 98-jährig verstarb, für Pilos Namen verantwortlich zeichnet. Denn die Schuhcreme „Pilo“ wurde damals von ihrer Firma in Ludwigshafen produziert und später von Henkel aufgekauft. Ich habe ihr die Geschichte von Pilo natürlich erzählt.

Raimund Pousset, 1959 – 1963
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