Frl. Scherzinger

Scherzinger Scherzinger Frl. Scherzinger, die von uns allen Madam genannt wurde, war meine Englischlehrerin seit der Quarta. Ich habe Englisch bei ihr geliebt, nicht nur wegen des Fachs sondern hauptsächlich wegen ihrer Persönlichkeit.
Während Fräulein Doktor Schmitz feinsinnig und sensibel erschien, war Frl. Scherzinger eher robust mit rauher Schale aber enorm weichen Kern und einem ganz großen Herzen für ihre "Burrrschen". Das war auch ihre Anrede für uns: "Bursch" und wenn einer von uns mit dem Lineal spielte, hieß es gleich "Stab weg, Bursch!". Wenn man sie nicht kannte, erschien sie als eine äußerst strenge, konsequente Gouvernante, die nichts, aber auch gar nichts durchgehen ließ. In Wirklichkeit hat sie uns richtig gemocht und hat uns mit großer Freude Englisch beigebracht, nicht zuletzt durch die Lieder, von denen mir einige heute noch in Erinnerung sind: "Twinkle, twinkle, litte star", "Oh soldier will you marry me" und natürlich "My Bonny lies over the Ocean"..
In der Obertertia hatte sie es nicht leicht mit uns. Immer wieder tauchten Karikaturen von ihr an der Tafel auf. Ein beliebtes Motiv zeigte eine resolute Dame, die mit ihrem Hund Bonny spazierenging. Der Hund hatte sie augenscheinlich immer im Schlepptau, weil er konstant an der Leine zog.
Manchmal stürmten wir am Anfang der Stunde nach vorne und machten ihr irgendwelche Komplimente und fast immer wich der strenge Blick, den sie aufgesetzt hatte, um die Burschen zur Räson zu bringen, einem herzlichen Lachen.

Alfred Epple
Fidel Matthias Fischer schreibt ergänzend dazu:

„Madam“ hatte unsere Klasse nur zeitweise als Aufsicht beim Studium, weshalb ich mit Ihr eigentlich nur am Rande zu tun hatte. Ich weiß nur noch, dass Sie mich ein paarmal wegen meines nicht ganz angemessenen Tons mit der Bemerkung „Fischer nicht so schnodderig“ zurechtgewiesen hat.
Ich erinnere mich auch, dass es für Pater Haag eine besondere Freude war, ihren Pudel „Bonny“ zu ärgern. So hat er ihm regelmäßig Zigarrenqualm ins Gesicht geblasen oder ihm einmal eine Ladung Kölnisch Wasser aus einem Parfümzerstäuber verpasst, der zufällig bei einem Hausbesuch auf der Garderobe stand.
Stefan Lutz-Bachmann erinnert sich:

Zu Frl. Scherzinger, unserer unvergleichlichen Englisch-Lehrerin, fällt mir - erst jetzt wieder - ein, dass ich seit damals weiß, was ein Limerick ist, nämlich eine ganz spezielle Art von englischem Kurzgedicht.
Und einen Limerick aus ihrem Unterricht hatte ich sogar – fragmentarisch und nebulös – noch in Erinnerung. Im Internet fand ich ihn komplett und veröffentliche ihn hiermit Frl. Scherzinger zu Ehren:

“There was a young girl in the Choir
Whose voice soared higher and higher.
Till one Sunday night
It went right out of sight,
And they found it next day in the spire.”

Im Unterricht tauchte einmal in einer Lektüre das Wort „hay barn“ auf, also „Scheune zum Aufbewahren von Heu“. Sie sagte damals, dass man das Wort „hay“ im Englischen genauso wie ein Schwabe der Wort „Heu“ auszusprechen habe. Ich kann als Hesse nicht beurteilen, ob ein Schwabe wirklich „Hai“ oder „Hei“ sagt, wenn er Heu meint. Auf jeden Fall habe ich es mir gemerkt.

Irgendwann mal übten wir ein lustiges Theaterstück, eher einen Schwank für einen bunten Abend mit ihr ein. In diesem Stück - weder an Titel noch an Inhalt entsinne ich mich - gab es ein Wortspiel, eher eine Komponistenverballhornung: „Felix Bartel, dem Mendel sein Sohn“. Das fällt mir seitdem immer ein, wenn ich den Namen Felix Mendelssohn-Bartholdy höre.
Und in gleichen Theaterstück kam folgender Reim vor: „Wer wagt, gewinnt, und ohne Liebe gibt’s kein Kind!“ Sie bestand darauf (warum war mir damals noch nicht so ganz klar), dass der zweite Teil dieses Verses unbedingt geändert werden müsse. Wie wir’s jedoch geändert haben, ist mir leider entfallen.
P. Otto Mayer schrieb dazu:

Zur Madam noch eine Begebenheit. Wir durften zu Beginn des Unterrichtes ein Lied singen.Eins Tages wurde laut und mit Schmunzeln gesungen:
"Ach, dass ich Dich so spät erkannte,Du hochgelobte Schönheit Du,
dass ich nicht eher mein mich nannte,Du höchstes Gut, Du wahre Ruh,
es ist mir leid, ich bin betrübt, dass ich so spät geliebt."
Als sie ahnte,es ging um sie, schmunzelte sie etwas: "Ihr Burrschen!" Frei nach Augustinus und Angelus Silesius: siehe Gotteslob Nr.558 Strophe 3.

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