Spitznamen

Unter den Missionsschülern gab es strenge Hierarchien, sie sich naturgemäßam Alter ausrichteten. So waren die Untertertianer aus dem Jahr 1962 bis zum Jahr 1965 unverändert der älteste Jahrgang im Haus und hatte dadurch beinahe schon eine aristokratische Vorrangstellung. Ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Hausleitung und die natürliche Autorität gegenüber den niedereren Klassen. Manchmal war ein mahnendes Wort von „Seppli“ Schwörer wirkungsvoller, als das eines Paters oder Bruders. Und selbstverständlich versuchte jede weitere Klasse den nachfolgenden Jahrgängen klarzumachen, wer im Hause den höheren Wert und größere Recht habe.

Darüber hinaus gab es durchaus Freundschaften und Verbindungen über die Klassengrenzen hinweg, ohne dass aber die Hierarchien aufgebrochen wurden. Besonders ausgeprägt war, dass kaum einer der Mitschüler mit seinem richtigen Namen, sondern nur mit seinem Spitznamen angeredet wurde. Manchmal nur eine Ableitung des Rufnamens („Freddy“ für Alfred Epple, „Seppli“ für Josef Schwörer, „Konni“ für Konrad Winterhalter, „Lollo“ für Lothar Winterhalter, „s’Hägle“ für Walter Haag, „Jackel“ für Hans-Jakob Huppertz). Schon etwas weiter hergeholt waren „Kitte“ für Rolf Kotz oder „Fixi“ für Franz Fuchs. Der Urheber des Spitznamens „Friedo“ war Hans-Jakob Huppertz. Und zwar spielte in einem der Schulfunk-Hörspiele, die Pater Schröder während der „Silentien“ zum Besten gab, ein dicker Bruder Fridolin eine Rolle. „Jackel“ Sprach darauf Jakob Maichle als „Fridolin“ an, was der gar nicht mochte -sogar in Tränen ausbrach-, weshalb sich der Name dann dauerhaft in der Form „Friedo“ hielt. Mir erschloß sich nie ganz, wo die Namen „Dixie“ Elser oder „Jack“ Mauz oder „Jimmy“ Kleindienst ihren Ursprung hatten. Interessant ist aber, dass noch heute oftmals die Spitznamen und deren Zuordnung zu Personen oft einfacher sind als der tatsächliche Tauf- und Familienname Aber auch viele Patres und Lehrer waren ebenfalls nur unter ihren Spitznamen geläufig. Pater Raidt war unter uns nur als „Piccolo“ im Gespräch, weil er jeden, dessen Namen ihm nicht parat war eben als „Piccolo“ anredete (siehe auch Stefan Lutz-Bachmann). Pater Bumiller wurde als der „Dagobert“ oder „Dago“ bezeichnet, weil er mit seinem griesgrämigen Blick der Komikfigur „Onkel Dagobert“ ähnelte. Der Name von Studienrat Westhauser wurde zuerst nach „Wellblech“ verhunzt und dann auf „Wello“ verkürzt. Und wenn von uns einer „Madam“ erwähnt, weiß jeder dass nur Frl. Scherzinger gemeint sein kann.

Allerdings, nie zu einem gängigen Spitznamen hat es Pater Superior Haag gebracht. Die oberste Klasse um Freddy, Seppli und Dixie versuchten zwar alle möglichen Quellen anzuzapfen, um den Spitznamen aufzudecken, den Pater Haag in seiner Missionsschülerzeit zweifellos hatte. Jeder Gast, der ins Haus kam, und der den Lebensweg Pater Haag irgendwie begleitete, wurde mit allen Tricks bearbeitet, um das Geheimnis preiszugeben. Leider erfolglos. Vielleicht lässt sich auf diesem Wege Licht in das Dunkel zu bringen und eines der letzten Haigerlocher Rätsel lösen.

Fidel Fischer

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