Bald ist's Weihnachten
Für Kinder – und solche waren wir damals auf Sexta, Quinta oder Quarta in
Haigerloch – bringt die Weihnachtszeit immer etwas Geheimnisvolles,
Spannendes, Aufregendes. Und besonders für uns als
Internatsschüler war das Christgeburtsfest ein mit großer Freude
erwartetes Ereignis, denn da gab’s „endlich“ mal wieder Ferien und
man durfte nach Hause. Im Missionsschüleralltag brachte der Advent
auch so seine kleinen Abwechslungen mit sich: Da durfte schon
einmal ein Kerzchen während der „Studienzeit“ auf dem Pult brennen,
falls die Aufsicht solches erlaubte. Der ein oder andere bekam ein
(Fress-)Paket zum Nikolaus am 6. Dezember von zuhause und einige
Mitschüler, bzw. die Tischgenossen „profitierten“ u.U. davon. Und
am Fest des Patrons der Kinder, dem heiligen Nikolaus, da gab es
m.W. im Speise saal eine besondere Nikolausfeier: Irgendjemand
kam in der Verkleidung des Heiligen zusammen mit eins, zwei
Knechten Ruprecht in den Saal, setzte sich auf einen Thron und las
aus einem Buch kleine Gedichtchen über einzelne Schüler vor, die
man ihm zuvor über den Briefkasten des Superiors hatte einreichen
müssen. An diesem Abend gab es dann ein besonderes Getränk, irgend
so ein süßer Saft, den die Küche aus einem Sirup hergestellt hatte.
Leider habe ich keines dieser Gedichte aufgehoben, aus dem man die
damalige Mentalität hätte ableiten können. Ich erinnere mich nur
noch an eine kurze Passage, die einmal ein Mitschüler auf meine
Orgelbasteleien anspielend über mich geschrieben hat: „Groß und
schlank / steht er an der Hobelbank …“ Man hat also etwas über
seine Mitschüler und deren Besonderheiten zu Papier gebracht. Auch
kamen schulische Ereignisse zur Sprache. Der Superior hatte ja zuvor alle
Gedichte überprüft, sodass also irgendwie „gefährliche“ Texte gestrichen
oder zensiert wurden. Fotos von diesen Ereignissen hat es in Haigerloch,
soweit ich mich erinnere, nie gegeben; eigentlich schade.
War Nikolaus überstanden, ging es mit schnellen Schritten auf Weihnachten bzw. auf die Weihnachtsferien zu. Angeregt von einigen Patres wurden nun Krippen gebastelt. Dies geschah im Bastelraum, im Untergeschoss des Nebengebäudes. Dort war ein Raum mit wenig Fensterfläche, einem kalten Zementboden und einem Sägemehlofen direkt neben dem Eingang. Hier entstanden die weihnachtlichen Kunstwerke. Die Möglichkeiten hierfür waren jedoch sehr begrenzt. Meistens holten die Mitschüler Moos und Wurzelwerk aus dem benachbarten Waldgebiet und komponierten eine Höhle als Ort des heiligen Geschehens in der Christnacht. Manche nahmen des „Kunstwerk“ zu den Weihnachtferien mit nach Hause, andere ließen die Gebilde einfach stehen und warteten, bis einer die Sachen entsorgte. Ich konnte wie viele andere auch meine weihnachtlichen Gebilde nicht mitnehmen, denn der Transport im Zug lies solche Mitbringsel nicht zu. Freilich gab es auch musikalische Einstimmungen auf Weihnachten. Wie an anderer Stelle berichtet, beteiligten sich die Missionsschüler unter Leitung von P. Schröter auch an Vorweihnachtskonzerten der Kirchengemeinde Haigerloch. Da ist mir noch ein Lied in Erinnerung, das wir heuer - also nach 60 Jahren! - im Kirchenchor Elsheim wieder singen: Machet die Tore weit von Andreas Hammerschmidt (1611-1675). Ich musste damals schon im Tenor singen, da ich aufgrund einer Stimmbandanomalie schon als 13jähriger eine tiefe Stimmlage hatte. Und diese Tenorlage ist mir bis heute geblieben. Ja, Haigerloch holt mich auf verschiedenen Gebieten immer wieder ein. An anderer Stelle berichten die Klepferseiten über den besonderen Krippenbau in Großkrotzenburg. Hier waren wir dann in einem Alter, in dem Krippenbasteln zur Weihnachtszeit an Attraktivität verloren hatte. Auch gab es kaum mehr Unterstützung seitens der Patres oder der sonstigen Lehrer zu solchem Tun. In der Regel hatte jedes Missionshaus seine Krippe, die dann von den „zuständigen Mitschülern“ aufgebaut wurde. Allerdings war die eigentliche „Kernzeit für die Krippe“, Heilig Abend bis Dreikönig, ein Zeitraum, in dem sich ohnehin kein Schüler im jeweiligen Missionshaus befand. Das änderte sich erst im Noviziat. In den Weihnachtsferien war ich dann meist in unserer großen Pfarrkirche beschäftigt und half unserem alten Küster bei der Bewältigung der umfangreichen Aufgaben: Gottesdienste mit z.T. 50 Ministranten, Scholasängern; Levitenhochamt, Andachten, Krippenfeiern … da gab’s immer etwas zu tun. Zuhause, in der kleinen Wohnung direkt neben der Kirche war ich wenig; hier war ich auch bereits „der Missionar, der in die Fremde zieht“. Als Weihnachtsgeschenk lag allenfalls etwas Praktisches unterm Christbaum: ein Hemd, ein Taschentuch, ein Schal, eine Schreibmappe. Und es huschte die Zeit dahin und rasch ging der Zug wieder in Richtung Eyachtal; das so innig angestrebte Weihnachtsfest war wieder schnell vorbei. War nun Christus in meinem, in unseren Herzen geboren?
Stadecken, am 1. Advent 2016
Hajo Stenger
PS: Wer die weihnachtliche Stimmung noch etwas auskosten möchte, kann gerne unsere virtuelle Krippenausstellung besuchen, zu der Hajo auch maßgeblich beigetragen hat.
Eines der wenigen Fotos von einer Nikolausfeier im Großkrotzenburger Missionshaus Kreuzburg 1962; Most und etwas Gebäck standen auf den Tischen im Speisesaal; vlnr: Hajo Stenger, Gustl Teichmann, Werner Wanzura, Hans-Gerd Dauster, Josef Senft, ??? Im Hintergrund ist der Aufstieg zur Vorlesekanzel gut erkennbar.
War Nikolaus überstanden, ging es mit schnellen Schritten auf Weihnachten bzw. auf die Weihnachtsferien zu. Angeregt von einigen Patres wurden nun Krippen gebastelt. Dies geschah im Bastelraum, im Untergeschoss des Nebengebäudes. Dort war ein Raum mit wenig Fensterfläche, einem kalten Zementboden und einem Sägemehlofen direkt neben dem Eingang. Hier entstanden die weihnachtlichen Kunstwerke. Die Möglichkeiten hierfür waren jedoch sehr begrenzt. Meistens holten die Mitschüler Moos und Wurzelwerk aus dem benachbarten Waldgebiet und komponierten eine Höhle als Ort des heiligen Geschehens in der Christnacht. Manche nahmen des „Kunstwerk“ zu den Weihnachtferien mit nach Hause, andere ließen die Gebilde einfach stehen und warteten, bis einer die Sachen entsorgte. Ich konnte wie viele andere auch meine weihnachtlichen Gebilde nicht mitnehmen, denn der Transport im Zug lies solche Mitbringsel nicht zu. Freilich gab es auch musikalische Einstimmungen auf Weihnachten. Wie an anderer Stelle berichtet, beteiligten sich die Missionsschüler unter Leitung von P. Schröter auch an Vorweihnachtskonzerten der Kirchengemeinde Haigerloch. Da ist mir noch ein Lied in Erinnerung, das wir heuer - also nach 60 Jahren! - im Kirchenchor Elsheim wieder singen: Machet die Tore weit von Andreas Hammerschmidt (1611-1675). Ich musste damals schon im Tenor singen, da ich aufgrund einer Stimmbandanomalie schon als 13jähriger eine tiefe Stimmlage hatte. Und diese Tenorlage ist mir bis heute geblieben. Ja, Haigerloch holt mich auf verschiedenen Gebieten immer wieder ein. An anderer Stelle berichten die Klepferseiten über den besonderen Krippenbau in Großkrotzenburg. Hier waren wir dann in einem Alter, in dem Krippenbasteln zur Weihnachtszeit an Attraktivität verloren hatte. Auch gab es kaum mehr Unterstützung seitens der Patres oder der sonstigen Lehrer zu solchem Tun. In der Regel hatte jedes Missionshaus seine Krippe, die dann von den „zuständigen Mitschülern“ aufgebaut wurde. Allerdings war die eigentliche „Kernzeit für die Krippe“, Heilig Abend bis Dreikönig, ein Zeitraum, in dem sich ohnehin kein Schüler im jeweiligen Missionshaus befand. Das änderte sich erst im Noviziat. In den Weihnachtsferien war ich dann meist in unserer großen Pfarrkirche beschäftigt und half unserem alten Küster bei der Bewältigung der umfangreichen Aufgaben: Gottesdienste mit z.T. 50 Ministranten, Scholasängern; Levitenhochamt, Andachten, Krippenfeiern … da gab’s immer etwas zu tun. Zuhause, in der kleinen Wohnung direkt neben der Kirche war ich wenig; hier war ich auch bereits „der Missionar, der in die Fremde zieht“. Als Weihnachtsgeschenk lag allenfalls etwas Praktisches unterm Christbaum: ein Hemd, ein Taschentuch, ein Schal, eine Schreibmappe. Und es huschte die Zeit dahin und rasch ging der Zug wieder in Richtung Eyachtal; das so innig angestrebte Weihnachtsfest war wieder schnell vorbei. War nun Christus in meinem, in unseren Herzen geboren?
Stadecken, am 1. Advent 2016
Hajo Stenger
PS: Wer die weihnachtliche Stimmung noch etwas auskosten möchte, kann gerne unsere virtuelle Krippenausstellung besuchen, zu der Hajo auch maßgeblich beigetragen hat.