Gedanken zum Video-Clip: Missionshaus 1935 (Dr. Hajo Stenger)

Ich habe mir den Film jetzt mehrfach angeschaut und bin damit in meine Haigerlocher Zeit abgetaucht. Ich kann nur bestätigen, es ist ein wunderbares, einmaliges Zeitdokument, das wohl Mitte der 30-er Jahre entstanden ist. Nur 26 Jahre danach - eigentlich nur eine kurze Zeit später - war ich in Haigerloch und so habe ich das damals Erlebte mit dem im Film Gezeigten verglichen: Der Abschied war bei mir nicht so dramatisch. Am Frankfurter HBF trafen sich damals vier Knäblein, um nach Haigerloch aufzubrechen. Da waren zwei schon ältere Schüler, die Gebrüder Reith aus meiner Frankfurter Pfarrei dabei. Das war für mich und meinen Freund Friedel May etwas beruhigend, da wir ja solch weite Bahnreisen eigentlich gar nicht kannten. Der erste Umstieg erfolgte in Stuttgart, der zweite in Tübingen und der dritte in Eyach. Dann ging es mit der Schwäbischen Eisenbahn, die noch so aussah wie im Film, bis Haigerloch weiter. Der Blick über Haigerloch mit dem Schloss im Hintergrund stellte sich mir genauso dar. Das Türmchen am Missionshaus war aber denn schon weg. Da kam es gelegentlich vor, dass uns ältere meist örtliche Schüler dann mit einem Leiterwägelchen abgeholt haben. Zu unserer Zeit war eigentlich kein Pater mehr dabei. Es ging dann mit den Koffern den ansteigenden Bahnhofsweg nach oben zum Missionshaus. Im Film werden die Schüler dann am Haupteingang von einem Pater begrüßt, vermutlich der Superior, der noch das Brevier in Händen hielt, und mehr oder weniger herzlich einige Knäblein in Empfang nahm. Der Pater war damals wie fast alle Weiße Väter mit Bart und vollständiger Weiße-Väter-Gewandung: Gandura-Burnus-Rosenkranz. Die weinrote Scheschi (=Fez; Fes) trugen die Patres zu meiner Zeit eher selten. Das Barttragen hat sich nach dem Krieg langsam verloren. Wir konnten den Haupteingang nicht mehr nutzten, weil sich dahinter im Vorraum das Museum mit den Tierpräparaten etc. befand. Der Tag beginnt um 1/2 6, wie die alte Standuhr, die ich noch auf dem Treppenabsatz erlebt habe, zeigt. Zu unserer Zeit war das Wecken etwas später, um 6.05 Uhr. Da kam der Pater in den Schlafsaal und rief "Benedicamus domino" und klatsche auch gelegentlich, um die müden Schüler aufzuscheuchen. Es handelt sich um den Quartaner-Schlafsaal im ersten Stock über dem Haupteingang. Das Getummel an den Waschbecken - es war wohl war bei uns nicht mehr so arg - und die Katzenwäsche, d.h. schon halb angezogen war etwas hygienischer bei uns. Die Hausglocke zeigt sich bei uns auch in einer größeren Form; die gezeigte Glocke ist wohl von den Nazis später abgehängt worden und die WV mussten etwas Neuers beschaffen. Bemerkenswert ist der Sport im Hof. Die durchlöcherten Holzbalken für das Reck lagen meines Wissens noch bei uns im Hof, bzw. hinten in der Wandelhalle und den Barren gab es noch zu unserer Zeit. Alle mussten wir im Sport schon entsprechende Kleidung tragen. Das war damals vermutlich aus finanziellen Gründen nicht möglich. Das Abzählen mit leichtem Kopfwenden gab es zu unserer Zeit immer noch. Es werden wohl schüler einer höheren Klasse gezeigt. Der Klassensaal hat noch die alten Schulbänke im Quartasaal. Der Pater in Vollmontur strahlt Würde und Autoritöät aus. Das Briefeverteilen fand bei uns an gleicher Stelle statt, nämlich am Treppenaufgang unten in der gleichen Maniern, nämlich durch den P. Superior. Den gezeigten Brief in deutsher Schrift habe ich übertragen:

Mein lieber Junge,

dein letzter Brief hat uns viel Freude gemacht mach nur so fort und bleibe brav. Wir helfen dir beim Streben nach dem schönen Missionsberuf. Kein Opfer ist deinem Vater und deiner Mutter zu schwer.
Für heute grüßt dich Vater, Geschwister und deine dich liebende Mutter

Heilige ...? 10.5.35


Der Brief zeigte die einfache aber herzliche Natur der Mutter, die stolz darauf war, dass ihr Sohn nun diesen hehren Beruf eines Missionars anstrebt. Dieser bringt auch den Anhörigen viel Segen, wenngleich der quasi Verlust des Sohnes doch einen gewissen Schmerz nach sich zieht. Da bringt man als Eltern schon mal einige Opfer. Diese können darin bestehen, dass man eine monatliche Pension, die man sich u.U. vom Mund absparen muss, an das Missionshaus zu zahlen hat.
Die gemeinsame Handarbeit mit einem jungen Pater in Voll-Missionskleidung mit Schschia (=Scheschia marokkan) verweist wohl auf die sog. Handarbeit: Die noch jungen Knaben - in diesem Fall wohl eher Sextaner - kommen den Annaweg herunter und graben dann oberhalb der Wandelhalle ein Feld um. Die Jugendlichkeit, besser Kindlichkeit zeigt sich im spielerischen Auftreten der Eleven; da wird auch mal ein Spaß gemacht und einer fällt hin. Ähnliches habe ich freilich auch gelegentlich erlebt. Die Patres arbeiten mit, das erinnert mich an P. Vogt oder P. Haag, die auch gern sich aktiv eingebracht haben.

Soweit einige Gedanken zu dem kleinen hervorragenden Filmclip, den ich schon mindestens zehnmal angeschaut habe und es immer wieder tue.

Erinnerungen