Und wieder ein Wohltätertreffen in St. Luzen
21. September 2025
Seit Jahren schon ist es eine gute Tradition, dass die Afrikamissionare, Weiße Väter,
zweimal jährlich zu ihrem Wohltätertreffen in das Bildungshaus der Diözese Freiburg St.
Luzen in Hechingen einladen. Nach dem positiven Eindruck vom letzten Jahr wollte ich
auch in 2025 wieder dabei sein. Durch einen Zufall hatte ich kürzlich mit einem
ehemaligen Haigerlocher Kontakt aufgenommen: Gerhard Wagenknecht. Gerhard und
ich hatten eine gemeinsame Heimatpfarrei in Frankfurt, nämlich Heilig Kreuz in
Bornheim; unsere Mütter kannten sich gut aus der Frohschar in der Kirchengemeinde.
Nachdem ich im April 1956 nach Haigerloch gekommen war, folgte Gerhard diesem
Beispiel und ging nach einem halben Jahr ebenfalls ins Schwabenland. Ich war dann
schon in Quinta, während Gerhard mit einem weiteren Messdienerfreund aus Heilig
Kreuz Friedel May in der Sexta seine Laufbahn im Missionshaus startete.
Als ich dann im Juni 2025 Gerhard von unserem Treffen in Hechingen berichtete und ihn
einlud, dorthin mitzufahren, war er ganz begeistert und stimmte sofort zu. Also starteten
wir am Sonntag, 21.09.2025 um 8.00 Uhr bei mir in Stadecken-Elsheim in Richtung
Haigerloch. Die Fahrt gestaltete sich höchst abwechslungsreich. Da kamen alle
möglichen Themen von früher, von der Zeit in Haigerloch zur Sprache. Und so manche
Erinnerungslücken wurden durch die gegenseitigen Berichte geschlossen. Und da wir
uns schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesprochen hatten, mussten freilich die
einzelnen Phasen der Lebenswege beleuchtet werden. Gerhard berichtete von seiner
Schulzeit am Gagern-Gymnasium in Frankfurt, von seiner Lehre bei der Bank, von
seinem Jurastudium und von seiner Tätigkeit in der Offenbacher Kanzlei. Ganz anders
war Hajos Leben. Nach dem Abi in Großkrotzenburg ging er regulär nach Trier zum
Philosophiestudium, dann nach Hörstel und startete in London bei den Weißen Vätern
sein Theologiestudium, das er aber schnell wieder dort beendete und in Frankfurt - St.
Georgen fortsetzte und auch erfolgreich abschloss. Nach dem sehr erfolgreichen
Kaplansjahr in Königstein gings es dann nach Frankfurt-Niederrad, wo die Zustände im
Pfarrhaus und in der Pfarrei für Hajo unerträglich waren, sodass er sich für eine
Versetzung nach Wiesbaden und mit halber Stelle zum Weiterstudium in Mainz
entschloss. Dies verweigerte der damalige Limburger Bischof Kempf auf Druck des
Priesterrates. Daher musste Hajo seinen eigenen Weg gehen und selbst für seinen
Lebensunterhalt sorgen, was ihm sehr gut gelungen ist.
Alle diese Erlebnissberichte bereicherten die Fahrt so sehr, dass wir dabei die richtige Autobahnabfahrt nach Stuttgart verpasst haben und schließlich wieder einige Kilometer zurückfahren mussten, um schließlich dann doch die A 81 ab Stuttgart Richtung Singen zu erreichen. Damit waren wir schon im Schwabenländle. In Empfingen ging es dann auf die Bundesstraße 463 und schon bald war Haigerloch erreicht. Eine Umleitung führt uns zunächst in die Unterstadt zum alten Bahnhof.
Auch hier brachen wieder die Erinnerungen an frühere Zeiten aus uns heraus: Wie war das noch damals, als wir mit dem Triebwagen der Hohenzollerischen Landesbahn vor fast 70 Jahren am Bahnhof ankamen. Unglaublich, heute ist im Bahnhof eine Moschee untergebracht. Ein sehr freundliches Gespräch mit einem Türken brachte uns Aufschluss über die Situation vor Ort: Heute fahren nur noch gelegentlich sonntags Ausflugszüge auf der alten Strecke.
Das Auto brachte uns weiter in Richtung Unterstadt-Mitte. Den Atombunker ließen wir links liegen und fuhren durch die alte Oberstadtstraße Richtung Annakirche; hier war doch damals die alte Post, bei der täglich die beiden Postboten in der Handarbeitszeit nachmittags unsere Pakete abholten. Gerhard und ich hatten damals niemals die Ehre, diesen gern angestrebten Dienst verrichten zu dürfen. Wir erreichten die Annahalde, den alten Weg zum Missionshaus.
Diesen befuhren wir ganz selbstverständlich bis zum Missionshaus. Wir kamen in den Innenhof und trafen sofort auf einen Chinesen mit großem, weißen Mundschutz, der gerade den Hof kehrte. Wir sprachen ihn freundlich an, aber er konnte uns partout nicht verstehen. Schließlich zückte er sein Handy, um eine deutschsprachige Bekannte panzurufen. Dieser erklärten wir, dass wir vor 70 Jahren im Haus Schüler gewesen waren und dass wir das Haus besichtigen wollten. Die Dame gab uns zu verstehen, dass dies Innen für uns nicht erlaubt ist, aber außen dürften wir mal schauen. So blieb uns nur der Blick durch die Fensterchen der Eingangstür und da konnten wir noch die alten Museumsregale mit Vasen etc. im unteren Gang erkennen. Gleichzeitig lasen wir das große Verkaufsschild, das den Erwerb des Hauses für 1,6 Millionen Euro anpries.
Wir starten unseren Umgang ums Haus. Eine Chinesin ebenfalls mit Mundschutz zog sich rasch zurück, sobald wir in die Nähe kamen. Wir überlegten, welche Räume damals hinter den Fenstern im Untergeschoss zu finden waren: der große Exerzitiensaal, Lagerräume, Klassenräume etc. Und im ersten Stock waren die bleiverglasten Fenster der Kapelle zu erkennen. Schließlich erreichten wir das große Eingangsportal des Hauses, hinter dem sich das frühere Museum befunden hatte. Dies war ganz früher ein beliebter Ort für große Gruppenfotos der Hausgemeinschaft mit bedeutenden Besuchern. Der gegenüber ankommende kleine Weg vom Bahnhof herauf war kaum mehr zu erkennen, denn er war inzwischen mit allerlei Grün zugewachsen.

Abb. 5: Die bleiverglasten Fenster im ersten Stock gehörten zur Kapelle.

Abb. 6: Gerhard Wagenknecht zeigt auf den mit hohem Gras bewachsenen alten Spielplatz, im Hintergrund die Wandelhalle.

Abb. 7: Vor den Küchenfenstern; links das Fenster vor dem Speisesaal; im Hintergrund das Nebengebäude
Mit hohem Gras war unser alter Sportplatz vor den Küchenfenstern bedeckt. An dieser Seite ist auch in neuerer Zeit eine eiserne Sicherheitstreppenanlage haushoch angebracht worden, die im Notfall einen Fluchtweg bot. Gerhard wagte, einige Stufen hochzusteigen und riskierte einen Blick in die Gänge: Ja, es sah darin fast noch genauso aus wie früher, rechts die Zimmertüren zu den ehemaligen Patreszimmern und links die Eingänge zu den Schlafsälen. Ich stapfte durch das hohe Gras und fand sie noch vor, die alte verrostete Eisenstange am hinteren Ende des Platzes für den Rundlauf: Was war das damals ein Vergnügen, in der Pause schnell mal eine Runde durch die Luft fliegen ...
Abb. 8: Die Annahalde herunterkommend fällt der Blick sofort auf die Seite des Missionshauses. Die äußere Rettungsleiter wurde später erst angebaut. Der große Baum auf der Wiese rechts ist wohl erst nach unserer Zeit an dieser Stelle gewachsen. Die Fenster des Dachgeschosses wurden wohl in neuerer Zeit ausgetauscht.
Die Seile mit den Griffen fehlen schon lange. Man musste sich dann an einem Griff festhalten und um die Stange herumlaufen, Bei richtigem Schwung konnte man dann geradezu im Kreis fliegen. Der Rundlauf war ein höchst beliebtes Spielzeug auf dem Sportplatz neben dem Haus. Direkt nach dem Pausensignal gab es bisweilen einen richtigen Runauf dieses Gerät und man konnte sich dann hier richtig austoben.
Und dann folgte der Blick in die ehemalige Wandelhalle, die oftmals Patres zum Gebet des Brevieres, den Brüdern zum Gebet des täglichen Rosenkranzes gedient hatte. Heute stand da allerlei ausgedientes, zum Teil zertrümmertes Mobiliar, das vermutlich die Patres zurückgelassen hatten. Ein Wandbild am hinteren Ende erinnert nach an die Weißen Väter.

Abb. 10: Die hintere Wand der Wandelhalle erinnert noch an afrikanische Kultur; von wem gemalt, ist unbekannt.
Vorn stand ein Wohnwagen, in dem wohl jemand gerade campierte. Die Auffahrt über die Annahalde erinnerte noch an die tollen Schlittenfahrten im Winter von ganz oben bis hinten zu den Ställen. Als damals noch die Mädchen des Dorfes mit von der Partie waren, besonders jene kesse Sybille, die Tochter des örtlichen Arztes, war das ein wunderbares Vergnügen. Als Folge dieses Winterspasses mussten dann einige Schüler auf Befehl des plötzlich erschienen Provinzials Gypkens das Haus umgehend verlassen, weil sie in Kontakt mit dem gefährlichen Geschlecht gekommen waren: Welch hierarchisch autoritäre Tat eines verrückt, arroganten Oberen, der Jahre später seine gerechte Strafe erhalten hat!
Der Besuch der wunderbaren barocken Annakirche brachte uns wieder auf andere Gedanken. Dieses Gotteshaus ist ein wahres, einmaliges Kunstwerk, das selbst ein Gebet ist und auch zur Ruhe und Besinnung einlädt. Ein Gespräch mit dem zufällig anwesenden Küster brachte Kenntnis über die pastorale Situation vor Ort. Da jetzt gerade Mittagessenszeit war, bot sich ein Besuch in einem benachbarten Haigerlocher Gasthaus an. Bei unserer augenblicklichen Stimmung kam natürlich das türkische AliBaba unterhalb der Kirche nicht in Frage, sondern wir gingen ein paar Schritte weiter zur Krone, obwohl wir befürchteten, dass hier alles zur Mittagszeit überfüllt sei. Gott sei Dank war das nicht so, sondern hier gab es hinreichend freie Plätze und so konnte wir genüsslich speisen: Sonntags-, Pfifferlingssuppe sowie Maultaschenplatte und Pfifferlingsmenu brachten Schwabenstimmung auch in unsere Mägen.
> Viel Zeit blieb uns nicht, denn wir wollten zum Wohltätergottesdienst um 14 Uhr in Hechingen sein. Dank Navi haben wir schnell den Weg gefunden, aber die Umleitungen kosteten uns wertvolle Zeit, sodass wir erst kurz nach Gottesdienstbeginn im Speisesaal St. Luzen eintrafen. Da ich die Örtlichkeiten noch vom Vorjahr kannte, fanden wir auch gleich den richtigen Weg zum großen Raum. P. Pfaff war gerade beim Evangelium, als wir eintrafen. Glücklicherweise gab es einige freie Plätze direkt neben unseren alten Kameraden von früher. Wie jedes Jahr hatten die Besucher viele leckere Kuchen mitgebracht und der Kaffee stand in Thermoskanne bereits auf dem Tisch.

Abb. 11: Hier einige Haigerlocher am gedeckten Tisch P. Pfaff lauschend

Abb. 12: P. Pfaff mit P. Vincent Tran, der seinen besonderen Weg zu den Weißen Vätern beschrieb.
Kaum war der Schlusssegen erteilt, begrüßten wir zunächst einmal ganz herzlich unsere Bekannten: Brigitte und Gustl Teichmann, Christl und Günther Konstanzer, Hans Geisinger und Klassenkamerad P. Albert Schrenk. Und dann wurde gequatscht, was auch immer uns einfiel von früher, von Haigerloch etc. Schließlich berichtete noch der als Gast anwesende Afrikamissionar aus Vietnam P. Vincent Tran über seinen spannenden Weg zu den Weißen Vätern.

Abb. 13: Die 6 Haigerlocher im Innenhof von Luzen: Hajo Stenger, Gerhard Wagenknecht, Gustl Teichmann, Albert Schrenk, , Günther Konstanzer, Hans Geisinger

Abb. 14: Und hier die Mannschaft mit den anwesenden Frauen, links Brigitte Teichmann, rechts Christel Konstanzer

Abb. 14: Jetzt nochmals mit ernstem Blick
Als Abschluss wurde schließlich zum Andenken im Innenhof des Hauses das Erinnerungsfoto geschossen, einmal mit und einmal ohne Ehefrauen. Da es noch nicht allzu spät war, wollten wir noch ein Lokal in Hechingen aufsuchen, was in Ermangelung offener Gaststätten gar nicht so einfach war. Günther führt uns dann zur indischen Gaststätte Museum, wo wir einige Tische für uns zusammenstellen konnten. Jetzt konnte nochmals das Ein oder Andere erörtert werden. Und so verging die Zeit rasch. Nach der herzlichen Verabschiedung brachen wir auf; inzwischen hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet und es goss in Strömen. Wir erreichten völlig durchnässt die Parkgarage und Günther brachte uns zurück nach St. Luzen. Gleichzeitig zeigt er uns den Weg St. Luzen – Weiße Väter hin und zurück, damit wir am folgenden Morgen pünktlich zu den Patres kommen können.

Abb. 14: Frühstück bei den Weißen Vätern
Wir zogen uns dann gleich erschöpft auf unsere Zimmerchen im Bildungshaus St. Luzen zurück: Alles wunderbar und sehr sauber; die Toiletten und Duschen zwar separat, aber das machte gar nichts, da wir ohnehin die einzigen Gäste waren. Da wir viel erlebt hatte, war uns die nötige Bettschwere sicher und wir träumten von den reichen Erlebnissen des Tages. Am nächsten Morgen ging es dann zu den Weißen Vätern, die uns um 8 Uhr zum Frühstück eingeladen hatten. Das opulente Morgenmahl stärkte uns dann für die Heimfahrt.
Wir gliederten uns schließlich in den morgendlichen Berufsverkehr ein und erreichen nach drei Stunden Rheinhessen. Es gab wegen Bauarbeiten einige kleine Staus, aber eigentlich war die Fahrt entspannt. Man macht sich dann doch ein paar Gedanken über das Erlebte. So sagte Gerhard, dass es für ihn wohl das letzte Mal war, an die Stätte seiner Jugend gekommen zu sein, wenngleich er die Erfahrungen für sehr bereichernd hielt. Ich selbst habe mich natürlich über die Ereignisse sehr gefreut, muss allerdings bedauern, dass von unsere Abiklasse nur Albert und Gustl anwesend gewesen waren. Haigerloch und Hechingen hatte ich im letzten Jahr bereits besucht und alten Freunde getroffen. Gerne hätte ich noch etwas mehr Zeit mit Gustl und Gitte sowie Christel und Günther verbracht.
Haigerloch sehe ich auf dem absteigenden Ast. Was wird wohl noch aus dem Missionshaus? Viele Geschäfte und Gaststätten sind geschlossen. Die Unterstadtkirche wird auch nicht mehr sakral benutzt. Die Schlosskirche ist ebenfalls mehr Konzerthalle als Gotteshaus. Insgesamt eine gewaltige Veränderung gegenüber früher. Aber die Zeit schreitet voran und wir müssen, ob wir wollen oder nicht, mitgehen. Genauso wenig wie unsere Kindheit wiederkommt, so kommen die alten Zeit wieder. Und da kommt mir das bekannte Lied in den Sinn: Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu. Ja, mit mancherlei Beschwerden und dazu gehören auch die vielen Veränderungen, die uns tagtäglich begegnen und uns die Ruhe nehmen. Dies werden wir nicht ändern, aber wir wissen, dass wir irgendwann die ewige Heimat finden werden. Das tröstet und stärkt uns auf dem Weg, dessen Ende wir nicht absehen können.
Stadecken, den 23. September 2025
Hajo Stenger
Alle diese Erlebnissberichte bereicherten die Fahrt so sehr, dass wir dabei die richtige Autobahnabfahrt nach Stuttgart verpasst haben und schließlich wieder einige Kilometer zurückfahren mussten, um schließlich dann doch die A 81 ab Stuttgart Richtung Singen zu erreichen. Damit waren wir schon im Schwabenländle. In Empfingen ging es dann auf die Bundesstraße 463 und schon bald war Haigerloch erreicht. Eine Umleitung führt uns zunächst in die Unterstadt zum alten Bahnhof.
Auch hier brachen wieder die Erinnerungen an frühere Zeiten aus uns heraus: Wie war das noch damals, als wir mit dem Triebwagen der Hohenzollerischen Landesbahn vor fast 70 Jahren am Bahnhof ankamen. Unglaublich, heute ist im Bahnhof eine Moschee untergebracht. Ein sehr freundliches Gespräch mit einem Türken brachte uns Aufschluss über die Situation vor Ort: Heute fahren nur noch gelegentlich sonntags Ausflugszüge auf der alten Strecke.
Das Auto brachte uns weiter in Richtung Unterstadt-Mitte. Den Atombunker ließen wir links liegen und fuhren durch die alte Oberstadtstraße Richtung Annakirche; hier war doch damals die alte Post, bei der täglich die beiden Postboten in der Handarbeitszeit nachmittags unsere Pakete abholten. Gerhard und ich hatten damals niemals die Ehre, diesen gern angestrebten Dienst verrichten zu dürfen. Wir erreichten die Annahalde, den alten Weg zum Missionshaus.

Abb. 1: Der heutige Eingang ins Missionshaus. Er war noch von den Weißen Vätern so eingerichtet worden. Nun hat das Haus auch eine richtige Adresse: Annahalde Nr. 17.

Abb. 2: Das Plakat am Eingang des Missionshauses
Diesen befuhren wir ganz selbstverständlich bis zum Missionshaus. Wir kamen in den Innenhof und trafen sofort auf einen Chinesen mit großem, weißen Mundschutz, der gerade den Hof kehrte. Wir sprachen ihn freundlich an, aber er konnte uns partout nicht verstehen. Schließlich zückte er sein Handy, um eine deutschsprachige Bekannte panzurufen. Dieser erklärten wir, dass wir vor 70 Jahren im Haus Schüler gewesen waren und dass wir das Haus besichtigen wollten. Die Dame gab uns zu verstehen, dass dies Innen für uns nicht erlaubt ist, aber außen dürften wir mal schauen. So blieb uns nur der Blick durch die Fensterchen der Eingangstür und da konnten wir noch die alten Museumsregale mit Vasen etc. im unteren Gang erkennen. Gleichzeitig lasen wir das große Verkaufsschild, das den Erwerb des Hauses für 1,6 Millionen Euro anpries.

Abb. 3: Die Glocke im Hof hängt immer noch; hiermit wurde jeweils das Ende der Pause usw. angekündigt.

Abb. 4: Das Afrikazeichen schmückt immer noch die linke Hofseite
Wir starten unseren Umgang ums Haus. Eine Chinesin ebenfalls mit Mundschutz zog sich rasch zurück, sobald wir in die Nähe kamen. Wir überlegten, welche Räume damals hinter den Fenstern im Untergeschoss zu finden waren: der große Exerzitiensaal, Lagerräume, Klassenräume etc. Und im ersten Stock waren die bleiverglasten Fenster der Kapelle zu erkennen. Schließlich erreichten wir das große Eingangsportal des Hauses, hinter dem sich das frühere Museum befunden hatte. Dies war ganz früher ein beliebter Ort für große Gruppenfotos der Hausgemeinschaft mit bedeutenden Besuchern. Der gegenüber ankommende kleine Weg vom Bahnhof herauf war kaum mehr zu erkennen, denn er war inzwischen mit allerlei Grün zugewachsen.

Abb. 5: Die bleiverglasten Fenster im ersten Stock gehörten zur Kapelle.

Abb. 6: Gerhard Wagenknecht zeigt auf den mit hohem Gras bewachsenen alten Spielplatz, im Hintergrund die Wandelhalle.

Abb. 7: Vor den Küchenfenstern; links das Fenster vor dem Speisesaal; im Hintergrund das Nebengebäude
Mit hohem Gras war unser alter Sportplatz vor den Küchenfenstern bedeckt. An dieser Seite ist auch in neuerer Zeit eine eiserne Sicherheitstreppenanlage haushoch angebracht worden, die im Notfall einen Fluchtweg bot. Gerhard wagte, einige Stufen hochzusteigen und riskierte einen Blick in die Gänge: Ja, es sah darin fast noch genauso aus wie früher, rechts die Zimmertüren zu den ehemaligen Patreszimmern und links die Eingänge zu den Schlafsälen. Ich stapfte durch das hohe Gras und fand sie noch vor, die alte verrostete Eisenstange am hinteren Ende des Platzes für den Rundlauf: Was war das damals ein Vergnügen, in der Pause schnell mal eine Runde durch die Luft fliegen ...

Abb. 8: Die Annahalde herunterkommend fällt der Blick sofort auf die Seite des Missionshauses. Die äußere Rettungsleiter wurde später erst angebaut. Der große Baum auf der Wiese rechts ist wohl erst nach unserer Zeit an dieser Stelle gewachsen. Die Fenster des Dachgeschosses wurden wohl in neuerer Zeit ausgetauscht.
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Abb. 9: Hier ragt noch die Eisenstange des alten Rundlaufs in den Himmel. Die
Seile mit den Griffen fehlen schon lange. Man musste sich dann an einem Griff festhalten
und um die Stange herumlaufen, Bei richtigem Schwung konnte man dann geradezu im Kreis
fliegen. Der Rundlauf war ein höchst beliebtes Spielzeug auf dem Sportplatz neben dem
Haus. Direkt nach dem Pausensignal gab es bisweilen einen richtigen Run auf dieses Gerät
und man konnte sich dann hier richtig austoben. |
Die Seile mit den Griffen fehlen schon lange. Man musste sich dann an einem Griff festhalten und um die Stange herumlaufen, Bei richtigem Schwung konnte man dann geradezu im Kreis fliegen. Der Rundlauf war ein höchst beliebtes Spielzeug auf dem Sportplatz neben dem Haus. Direkt nach dem Pausensignal gab es bisweilen einen richtigen Runauf dieses Gerät und man konnte sich dann hier richtig austoben.
Und dann folgte der Blick in die ehemalige Wandelhalle, die oftmals Patres zum Gebet des Brevieres, den Brüdern zum Gebet des täglichen Rosenkranzes gedient hatte. Heute stand da allerlei ausgedientes, zum Teil zertrümmertes Mobiliar, das vermutlich die Patres zurückgelassen hatten. Ein Wandbild am hinteren Ende erinnert nach an die Weißen Väter.

Abb. 10: Die hintere Wand der Wandelhalle erinnert noch an afrikanische Kultur; von wem gemalt, ist unbekannt.
Vorn stand ein Wohnwagen, in dem wohl jemand gerade campierte. Die Auffahrt über die Annahalde erinnerte noch an die tollen Schlittenfahrten im Winter von ganz oben bis hinten zu den Ställen. Als damals noch die Mädchen des Dorfes mit von der Partie waren, besonders jene kesse Sybille, die Tochter des örtlichen Arztes, war das ein wunderbares Vergnügen. Als Folge dieses Winterspasses mussten dann einige Schüler auf Befehl des plötzlich erschienen Provinzials Gypkens das Haus umgehend verlassen, weil sie in Kontakt mit dem gefährlichen Geschlecht gekommen waren: Welch hierarchisch autoritäre Tat eines verrückt, arroganten Oberen, der Jahre später seine gerechte Strafe erhalten hat!
Der Besuch der wunderbaren barocken Annakirche brachte uns wieder auf andere Gedanken. Dieses Gotteshaus ist ein wahres, einmaliges Kunstwerk, das selbst ein Gebet ist und auch zur Ruhe und Besinnung einlädt. Ein Gespräch mit dem zufällig anwesenden Küster brachte Kenntnis über die pastorale Situation vor Ort. Da jetzt gerade Mittagessenszeit war, bot sich ein Besuch in einem benachbarten Haigerlocher Gasthaus an. Bei unserer augenblicklichen Stimmung kam natürlich das türkische AliBaba unterhalb der Kirche nicht in Frage, sondern wir gingen ein paar Schritte weiter zur Krone, obwohl wir befürchteten, dass hier alles zur Mittagszeit überfüllt sei. Gott sei Dank war das nicht so, sondern hier gab es hinreichend freie Plätze und so konnte wir genüsslich speisen: Sonntags-, Pfifferlingssuppe sowie Maultaschenplatte und Pfifferlingsmenu brachten Schwabenstimmung auch in unsere Mägen.
> Viel Zeit blieb uns nicht, denn wir wollten zum Wohltätergottesdienst um 14 Uhr in Hechingen sein. Dank Navi haben wir schnell den Weg gefunden, aber die Umleitungen kosteten uns wertvolle Zeit, sodass wir erst kurz nach Gottesdienstbeginn im Speisesaal St. Luzen eintrafen. Da ich die Örtlichkeiten noch vom Vorjahr kannte, fanden wir auch gleich den richtigen Weg zum großen Raum. P. Pfaff war gerade beim Evangelium, als wir eintrafen. Glücklicherweise gab es einige freie Plätze direkt neben unseren alten Kameraden von früher. Wie jedes Jahr hatten die Besucher viele leckere Kuchen mitgebracht und der Kaffee stand in Thermoskanne bereits auf dem Tisch.

Abb. 11: Hier einige Haigerlocher am gedeckten Tisch P. Pfaff lauschend

Abb. 12: P. Pfaff mit P. Vincent Tran, der seinen besonderen Weg zu den Weißen Vätern beschrieb.
Kaum war der Schlusssegen erteilt, begrüßten wir zunächst einmal ganz herzlich unsere Bekannten: Brigitte und Gustl Teichmann, Christl und Günther Konstanzer, Hans Geisinger und Klassenkamerad P. Albert Schrenk. Und dann wurde gequatscht, was auch immer uns einfiel von früher, von Haigerloch etc. Schließlich berichtete noch der als Gast anwesende Afrikamissionar aus Vietnam P. Vincent Tran über seinen spannenden Weg zu den Weißen Vätern.

Abb. 13: Die 6 Haigerlocher im Innenhof von Luzen: Hajo Stenger, Gerhard Wagenknecht, Gustl Teichmann, Albert Schrenk, , Günther Konstanzer, Hans Geisinger

Abb. 14: Und hier die Mannschaft mit den anwesenden Frauen, links Brigitte Teichmann, rechts Christel Konstanzer

Abb. 14: Jetzt nochmals mit ernstem Blick
Als Abschluss wurde schließlich zum Andenken im Innenhof des Hauses das Erinnerungsfoto geschossen, einmal mit und einmal ohne Ehefrauen. Da es noch nicht allzu spät war, wollten wir noch ein Lokal in Hechingen aufsuchen, was in Ermangelung offener Gaststätten gar nicht so einfach war. Günther führt uns dann zur indischen Gaststätte Museum, wo wir einige Tische für uns zusammenstellen konnten. Jetzt konnte nochmals das Ein oder Andere erörtert werden. Und so verging die Zeit rasch. Nach der herzlichen Verabschiedung brachen wir auf; inzwischen hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet und es goss in Strömen. Wir erreichten völlig durchnässt die Parkgarage und Günther brachte uns zurück nach St. Luzen. Gleichzeitig zeigt er uns den Weg St. Luzen – Weiße Väter hin und zurück, damit wir am folgenden Morgen pünktlich zu den Patres kommen können.

Abb. 14: Frühstück bei den Weißen Vätern
Wir zogen uns dann gleich erschöpft auf unsere Zimmerchen im Bildungshaus St. Luzen zurück: Alles wunderbar und sehr sauber; die Toiletten und Duschen zwar separat, aber das machte gar nichts, da wir ohnehin die einzigen Gäste waren. Da wir viel erlebt hatte, war uns die nötige Bettschwere sicher und wir träumten von den reichen Erlebnissen des Tages. Am nächsten Morgen ging es dann zu den Weißen Vätern, die uns um 8 Uhr zum Frühstück eingeladen hatten. Das opulente Morgenmahl stärkte uns dann für die Heimfahrt.
Wir gliederten uns schließlich in den morgendlichen Berufsverkehr ein und erreichen nach drei Stunden Rheinhessen. Es gab wegen Bauarbeiten einige kleine Staus, aber eigentlich war die Fahrt entspannt. Man macht sich dann doch ein paar Gedanken über das Erlebte. So sagte Gerhard, dass es für ihn wohl das letzte Mal war, an die Stätte seiner Jugend gekommen zu sein, wenngleich er die Erfahrungen für sehr bereichernd hielt. Ich selbst habe mich natürlich über die Ereignisse sehr gefreut, muss allerdings bedauern, dass von unsere Abiklasse nur Albert und Gustl anwesend gewesen waren. Haigerloch und Hechingen hatte ich im letzten Jahr bereits besucht und alten Freunde getroffen. Gerne hätte ich noch etwas mehr Zeit mit Gustl und Gitte sowie Christel und Günther verbracht.
Haigerloch sehe ich auf dem absteigenden Ast. Was wird wohl noch aus dem Missionshaus? Viele Geschäfte und Gaststätten sind geschlossen. Die Unterstadtkirche wird auch nicht mehr sakral benutzt. Die Schlosskirche ist ebenfalls mehr Konzerthalle als Gotteshaus. Insgesamt eine gewaltige Veränderung gegenüber früher. Aber die Zeit schreitet voran und wir müssen, ob wir wollen oder nicht, mitgehen. Genauso wenig wie unsere Kindheit wiederkommt, so kommen die alten Zeit wieder. Und da kommt mir das bekannte Lied in den Sinn: Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu. Ja, mit mancherlei Beschwerden und dazu gehören auch die vielen Veränderungen, die uns tagtäglich begegnen und uns die Ruhe nehmen. Dies werden wir nicht ändern, aber wir wissen, dass wir irgendwann die ewige Heimat finden werden. Das tröstet und stärkt uns auf dem Weg, dessen Ende wir nicht absehen können.
Stadecken, den 23. September 2025
Hajo Stenger